Mammutmarsch – Hannover

Es war soweit, mein erster Mammutmarsch stand an. Endlich ein Termin an dem ich frei hatte.

Was ist der Mammutmarsch?

Unterm Strich ist es eine Wanderung, nur eben mit einer Länge von 30/42/60/100km (je nach Event variiert die Streckenlänge).

Man startet mit vielen anderen Teilnehmern gleichzeitig um die gewählte Distanz zu bewältigen.

Kann man doch auch so? Ja! Kann man, aber irgendwie ist dieser Spirit bei dem Event etwas ganz Besonderes gewesen. Gingen mir Anfangs noch all die Menschen vor und hinter mir tierisch auf die Nerven, so blendete ich diese und eigentlich auch die Umgebung später gänzlich aus. Es war einfach alles egal, ein sehr befreiender Zustand… aber alles der Reihe nach…

Die Ankunft:

08:37Uhr, nach gut 2km Fußweg (das Parkhaus war doch etwas weit, die Anreise mit dem Zug wäre durchaus einfacher aber auch deutlich unflexibler gewesen) erreichte ich das „Zentrum für Hochschulsport Hannover“. Dieses dient als Startpunkt des Mammutmarsches. Gut organisiert , coronakonform und mit genügend Abstand ging es durch den Eingang, jeder zeigte sein zuvor erworbenes Ticket vor, erhielt ein Armband, ein Stempelheft sowie eine Karte der Route bzw. der Routen, denn in Hannover gab es zwei zur Auswahl. Einmal eine 50km lange, sowie eine 30km lange Route. Ich habe mich für die Kürzere entschieden (der Harz hat geprägt). Durch einige Touren in Bayern als auch hier im Alten Land traute ich mir die 30km im flachen Hannover zu.

Angekommen und angemeldet schaute ich mir den Trubel in aller Ruhe an, vor einer aufgeblasenen Mammutattrappe konnte man sich breit grinsend fotografieren lassen. Es könnte das letzte Foto sein *lach*, also musste ich natürlich auch so ein Bild haben.

Kurz darauf reihte ich mich in das beeindruckend große Starterfeld ein. Die Menge wurde mit Musik und einem sehr aufgeregten Ansager motiviert.

Der Start:

Punkt 09:01 Uhr setzte sich die „Herde“ – nach ein paar Worten des sehr gut gelaunten Ansagers – in Bewegung, ein beeindruckendes Schauspiel denn alle hatten nur ein Ziel: ankommen. Eine Mischung der unterschiedlichsten Menschen aus ganz Deutschland marschierte los. Da dies meine erste Massenveranstaltung war, merkte ich recht schnell, dass mich es mich ähnlich wie in den Shoppingstraßen großer Städte wirklich stört wenn so viele Menschen auf einem Haufen sind. Vor mir Menschen, hinter mir Menschen, viele Eindrücke, viele Geräusche viel Trubel. Reizüberflutung…

Ich entschied mich langsam zu gehen um die größte Masse vorbei zu lassen, denn ich war es einfach nicht gewohnt. Ich führte mir meine Kopfhörer in die Ohren um mich etwas abzukapseln, doch leider war der Akku einer meiner Kopfhörer leer. Egal, erstmal ein Ohr welches beschallt wird. Ich startete einen Podcast um mich zumindest nur darauf zu konzentrieren. Der andere Kopfhörer landete zurück im Ladecase. Es ging weiter, und noch immer waren gefühlt hunderte Personen vor und hinter mir. Nach und nach verteilte sich die breite Masse etwas. Es wurde entspannter.

Das erste Drittel:

Der Weg führte anfangs durch den sehr schönen „Georgengarten“. Eine breite Allee führt direkt in Richtung „Schloss Herrenhausen“. Wir wanderten östlich am Schloss vorbei, nach Süden geht es weiter über den Ernst-August-Kanal und über die „Leine“. Vorbei am „Wasserkraftwerk Herrenhausen“ geht es entlang des Stichkanals Hannover-Linden.

Nach dessen Überquerung liefen wir nach einigen Metern durch ein Wohngebiet, vorbei am Willy-Spahn-Park zum Stadtfriedhof Ahlem. Nach nun knapp 8km steht man vor dem „Hanover War Cemetery“ (und dem „Military Cemetery Limmer“ bzw. im Volksmund zusammen „Englischer Friedhof“ genannt). Dieser in den 1950er Jahren angelegte Soldatenfriedhof ist die letzte Ruhestätte für 2.451 Soldaten, welche im Zweiten Weltkrieg verstarben. Ein seltsames Gefühl kam in mir auf. Stellte für mich diese 30km Route schon eine Herausforderung dar, so ist es nichts im Vergleich zu dem, was diese Soldaten im letzten Weltkrieg leisten mussten.

Die Route führt weiter in die Ortschaft Velber, ein Stadtteil von Seelze, welchen man in Richtung Westen verlässt und schon bald erschien das erste Schild mit der Aufschrift „10km“. Das erste Drittel war geschafft. Bis hier hin noch ohne Probleme.

Das zweite Drittel:

Mein erster Gedanke: „geil, schon 10km!“, verflog einem: „Sche*sse, noch zweimal soviel“. Ich war bis zu diesem Punkt von dem gesamten Event echt genervt. Mich störten die ganzen Leute, irgendwelche Trailrunner die meinen, die Strecke zu laufen statt zu gehen, und einen dabei fast über den Haufen laufen.

Die Beine machten mit, die Füße auch. Mir ging es gut, nur einfach genervt, und ich fragte mich tatsächlich ob es die richtige Entscheidung war für dieses Event Geld zu bezahlen. Wanderwege gibt es genug..

Der Weg führte in einen Wald, welcher den Benther Berg verbarg, und nach insgesamt 14 Kilometern kam die erste Versorgungsstelle. Hier gab es Getränke, etwas Obst zur Stärkung und vor allem warmen Kaffee. Da ich bisher nur einen Riegel und einen Schluck Wasser zum runterspülen brauchte, bin ich nach einer Runde um die Versorgungsstelle weiter marschiert.

Eventuell war dies nicht die klügste Entscheidung, denn jetzt ging es auf den schon erwähnten Benther Berg hinauf. Oben angekommen stand eine junge Frau mit einem Schild in der Hand. 173,3m üNN stand darauf. Kein wirkliches Monster, dennoch habe ich mit sowas absolut nicht gerechnet.

Es ging nun also wieder bergab und raus aus dem Wald und somit zurück in Richtung Hannover. Auf dem Weg zurück in die Stadt fiel mir der „Waldberg-Empelde“ auf. Dieser ehemalige Schuttberg vor den Toren Hannovers wurde inzwischen wieder begrünt und springt einem durch seine einzigartig Form sofort ins Auge. Am Wegesrand stand ein Mülleimer, also entschied ich mich schnell die mitgebrachte Banane zu verzehren.

(Notiz an mich selbst, nächstes Mal eine kleine Tüte für Abfall einpacken)

Die Leute um mich herum nervten mich noch immer und so langsam spürte ich nun auch die Strecke in den Beinen.

Nach insgesamt 20km befand ich mich wieder innerhalb Hannovers, es ging bis hierhin noch durch kleine Gärten und Wohnsiedlungen. Ein Schild mit der Aufschrift „20km – Schnell oder langsam: Ein Kilometer bleibt ein Kilometer“ markierte das Ende des zweiten Drittels dieser Tour.

Das dritte Drittel:

Nach insgesamt 21km legte ich meine erste richtige Pause ein. Ich nahm Platz auf einer, etwas vom Wege entfernten Bank, trank einen Energy Drink, knabberte etwas von meiner mitgebrachten Bretzel und streckte erst einmal die Beine aus. Ich entschied mich wieder für meine Kopfhörer, welche ich vor einiger Zeit schon wieder abgenommen hatte.

Ich spürte so allmählich das falsche Schuhwerk an den Füßen, aber ich genoss auch die Ruhe an diesem Platz.

Ich trank aus, packte den Rest der Bretzel wieder in den Rucksack und startete etwas Musik. Was soll ich sagen: Scheinbar hat der Zuckerschub, in Kombination mit der Musik, etwas ausgelöst. Ich war wieder höchst motiviert, war aufgeputscht und hatte Bock das ganze zu Ende zu bringen.

Allerdings merkte ich nach der Sitzpause, dass Blasen an meinen Füßen das wohl größte Problem dieses Unterfangens sein werden. Egal! Mit Musik auf den Ohren und voller Motivation ging es schnellen Schrittes weiter in Richtung Ziel. Ab hier konnte man es wirklich marschieren nennen. Die Musik ballerte und das Tempo nahm zu.

Das Ganze hat genau 4km angehalten bis dann auch noch Knieschmerzen dazu kamen…

Die letzten 5 Kilometer:

Dann ein weiteres Schild „25km – Ihr seid wahre Mammuts“. Es lagen also nur noch 5km vor mir und nach gut 26km habe ich für mich den wohl wahren Sinn hinter diesem Mammutmarsch verstanden. Das ist allerdings meine Ansicht, meine Interpretation, ich spreche hier nur für mich.

Es geht nicht darum sich entspannt wie bei einer Wanderung die Gegend anzuschauen, auch die ganzen Leute, die Trailrunner, die Läufer oder Gruppen die einem den Weg versperrten waren im Grunde komplett egal. Es ging einfach nur um mich. Es ging darum sich durch zu beißen, zu erreichen was man sich vorgenommen hat.

Für mich war nach 20km schon mein bisheriger Rekord gebrochen. Dem zweiten Versorgungspunkt habe ich ebenfalls keinerlei Beachtung geschenkt. Ich hatte alles was ich brauchte in meinem kleinen und leichten 10L-Rucksack verstaut.

Mit schmerzendem Knie und Blasen an den Füßen schleppte ich mich also nach 25km weiter in Richtung Ziel und ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass es mir hier noch Spaß gemacht hat. Nein, es war bescheiden, aber dennoch war der Wille da. Schritt für Schritt und immer weiter.

Entlang der Ihm nahm ich mir, hier und da, immer mal wieder eine kleine Pause. Beine ausstrecken, weiter gehen. Am Ende ging es mit kleinen und schmerzhaften Schritten ins Ziel, und ich muss zugeben, dass ich von der Strecke nicht mehr wirklich viel mitbekam. Was ich noch weiss, ist, dass es irgendwann eine Aufteilung zwischen der 30- und 50km Route gab.

Ich ziehe meinen Hut vor denen, die an diesem Tag die 50km gegangen sind. Es war eine interessante Erfahrung, sich zwingen zu müssen einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nicht wegen dem Knie oder den Beinen: es lag viel mehr an den Blasen an den Füßen. Offensichtlich habe ich mich für die falschen Schuhe entschieden und dies rächt sich mit jedem Meter immer mehr.

Die letzten Meter… angetrieben von diesem wirklich sehr, sehr motivierendem Herren mit dem Mikrofon in der Hand: „noch mal alles zu geben“, ging es dann endlich durchs Ziel. Das Spiel war vorbei, der Vorhang schließt sich.

Man überreichte mir eine Medaille sowie eine Urkunde und ein Armband. Geschafft!

Es war wirklich ein großartiges Gefühl und für dieses Jahr genau der Abschluss den ich für mich selbst brauchte.

Hieß es noch am Jahresanfang: „du schaffst ja nicht mal 20km“, so war dies nun mein Sieg über meine eigenen Grenzen. Auch wenn diese Aussage zu der Zeit garnicht so verkehrt war. Ich war noch im Februar nach fünf Kilometern völlig k.o..

Für Einige mag diese Entfernung von 30km lachhaft sein, für Manche undenkbar. Ich finde, jeder sollte für sich entscheiden was er kann und will, und was er körperlich erreichen möchte.

Dieses Event hat mir gezeigt, dass 2021, unterm Strich, ein erfolgreiches Jahr für mich selbst, und dass das Erlebte garnicht so schlecht für mich war.

Das Fazit:

Ich habe meine eher schlechte Meinung über den Mammutmarsch, welche ich am Anfang noch hatte, komplett über den Haufen geworfen. Es ist ein super Event. Eines bei dem man über sich selbst hinauswachsen kann.

2022 werde ich wieder mit dabei sein. Ende Februar gibt es einen 40- bzw. 60km Mammutmarsch in Hamburg…. Ja, ich habe mich für die 60km angemeldet. Einfach um erneut auszuloten wo die Grenzen liegen.

Ach ja… natürlich ging es danach auch noch zwei Kilometer zu Fuß zum Parkhaus…. war super…

Link zur Route auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/573017032?ref=wtd

Link zur Homepage vom Mammutmarsch: https://mammutmarsch.de

About the Author

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may also like these