Auf dem Goetheweg zum Brocken

10.12.1777. Tiefer Schnee, unwegsames Gelände. Ein Mann wandert durch das höchste Gebirge Norddeutschlands. Der Mann hieß Johann Wolfgang von Goethe und schrieb darüber folgendes:

Früh nach dem Torfhause in tiefem Schnee. 1 viertel nach 10 aufgebrochen, von da auf den Brocken. Schnee eine Elle tief, der aber trug. 1 viertel nach eins droben. Heitrer herrlicher Augenblick, die ganze Welt in Wolken und Nebel und oben alles heiter. Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst. Um viere wieder zurück. Beim Förster auf dem Torfhause in Herberge.“

Goethe: Schriften zur Geologie und Mineralogie

Nicht ganz so wortgewandt wie Goethe möchte ich über meinen ersten Ausflug in den Harz berichten.

Ich hatte drei Wochen Urlaub und wollte, anders als sonst, diese Zeit für mich ganz bewusst aktiv nutzen, anstatt nur Daheim herumzulungern.

Im Voraus kaufte ich mir meine ersten Wanderschuhe, besorgte mir einen leichten Rucksack, packte meine sieben Sachen, fuhr knapp drei Stunden in Richtung Süden und begab mich auf die Spuren des deutschen Dichters.

Der Goetheweg, beginnend in Torfhaus, folgt der wahrscheinlichsten Route die Goethe gewandert ist auf einer Länge von ca. 18km (Hin- und Rückweg).

Die Anreise nach Torfhaus erfolgte bei mir, anders als bei Goethe, im Sommer 2021 mit dem Auto. Parken konnte man auf dem kostenpflichtigen Großparkplatz „Brockenblick“. (Bargeld mitnehmen!)

Direkt nach dem Aussteigen sieht man schon das Ziel der Tour, den Brocken.

Von dort aus sind es gerade einmal 800m bis zur ersten Beschilderung mit der Aufschrift „Goetheweg“. Als Symbol für diesen Weg dient Goethes Seitenprofil auf weißem, kreisrunden Hintergrund.

Die Augen werden sehr schnell mit wunderschöner Natur verwöhnt und die Wege sind gut ausgebaut. Eventuell sorgen die kommenden Steigungen für etwas Anstrengung.

Bevor es aber in die Höhe geht, kommt man nach einigen Gehminuten zum großen Torfhausmoor, auch Radau Born-Moor genannt, welches man auf einem Bohlensteg überquert.

Es ist ein Hochmoor, welches seine Nährstoffe ausschließlich über das Regenwasser erhält. Es ist daher ein extrem nährstoffarmer Lebensraum – nur angepasste Tiere und Pflanzen können hier leben.

Die Bezeichnung „Hochmoor“ rührt von der Hochwölbung im Moorzentrum her. Die Vielfalt und Dynamik der Moore des Nationalparks Harz ist in Europa einzigartig

Ich habe diese Gegend noch nie so bewusst wahrgenommen, und habe mir zum ersten mal Zeit genommen, für die Eindrücke die auf mich warteten. Es ging nicht um das: schnell auf den Berg kommen, sondern ums genießen.

Das Tat ich auch, nach gerade einmal 3,5km machte ich eine kurze Pause, trank etwas Tee und ließ mich von der schon recht hochstehenden Sonne bescheinen. Ich war alleine, es waren kaum Menschen unterwegs. Überall Grün, Ruhe und Frieden, in einer meist viel zu hektischen Welt.

Die Gegend zeigte sich wirklich von seiner besten Seite, das Wetter war herrlich und ich zog weiter in Richtung Brocken.

Ich fragte mich, wie es Goethe wohl gegangen sein muss, damals im Winter 1777, als der Winter noch Winter war.

Ich denke er hat, anders als ich, gefroren. Hatte keinen leichten Rucksack auf den Schultern und wohl keine Thermoskanne Tee dabei. Dennoch wird es ebenso einsam dort gewesen sein und weitaus härter als auf den ausgebauten Wegen, auf denen ich mich bewegte.

Im weiteren Verlauf der Wanderung kam ich auch durch das Grüne Band, den ehemaligen Grenzstreifen, der heute als grüne Lebenslinie ganz Deutschland durchzieht. 

Ein paar Meter weiter führte mich der Weg auf eine alte Panzerstraße, welche von den Grenztruppen der ehemaligen DDR für Kontrollfahrten genutzt wurde. Dieser und andere seiner Art erstreckten sich über viele hundert Kilometer an der gesamten innerdeutschen Grenze entlang.

Der Brocken war 28 Jahre DDR Militärsperrgebiet. Hier arbeiteten DDR-Grenzsoldaten, Abhörexperten von der Staatssicherheit und russische Geheimdienstler daran, das Land für immer vom Westen abzuschotten und die BRD so gut es geht auszuspionieren.

Der Kolonnenweg führt deutlich ansteigend bergauf zu den Gleisen der Brockenbahn. Dort angekommen, beginnt der eigentliche Brockenaufstieg.

Der Wuchs der Fichten wird hier gedrungener, denn mit zunehmender Höhe fällt es den Bäumen schwer sich gegen die extrem raue Witterung zu behaupten.

Auf dem Weg entlang der Brockenbahn durchque­re ich das Goethemoor bis hin zur Brocken­straße. 

Es waren ab hier auch mehr Wanderer bzw. überhaupt Menschen zu sehen. Auch die ersten Mountainbiker und eifrige Gravelbiker kamen vorbei. Ich war ein wenig neidisch und so langsam merkte ich, dass es keine gute Idee war direkt mit den neuen Schuhen los zu gehen.

Aber wer nicht hören will, der muss eben fühlen…

Nach nun insgesamt acht Kilometern erreichte ich die Brockenstraße. Die heutige asphaltierte Straße geht auf eine im Jahr 1843 neu angelegte Chaussee zurück, und führt direkt auf die Spitze des Berges.

Ab hier war es nur noch ca. ein Kilometer, sowie ca. 100hm hinauf, und ja… es war inzwischen anstrengend.

Der Asphalt wurde durch die Sonne gut aufgeheizt und die Schuhe fingen langsam an zu scheuern.

Die letzten Meter waren geschafft, und ich wurde mit einem fantastischen Ausblick belohnt, so dass ich aus dem Staunen nicht mehr heraus kam. Zuletzt hatte ich solch einen Ausblick 2017 in Österreich, jedoch haben wir dort die Berge mit dem Auto bewältigt, und ich glaube genau deshalb war ich auch so fasziniert, obwohl es eigentlich nichts Aussergewöhnliches war.

Ich denke, für mich war das Besondere, dass ich mich entschieden hatte den Weg einfach mal zu versuchen.

Ich dachte darüber nach wieviel Zeit ich bisher vergeudet habe.

Wie viele Stunden ich daheim vor dem Rechner verbracht habe, wie sehr ich während des Lockdowns dachte: „was soll ich bloß mit meiner Zeit anfangen“.

Dabei ist die Welt so groß und alleine Deutschland voll mit wundervollen Orten und Plätzen, die es zu entdecken gilt.

Mir taten die Füße weh und ich suchte mir dort oben erst einmal einen ruhigen Platz zum sitzen. Ich trank eine Tasse Tee, aß ein belegtes Brötchen und genoss die Aussicht. Ich empfand Gefallen an dem Ganzen.

Wie mir im Nachhinein berichtet wurde, kann es außerhalb der Pandemie verdammt voll auf dem Brocken werden. Verständlich, gibt es dort doch außer der fantastischen Aussicht mehr zu sehen als man am Anfang vermutet.

Der Brockenstein (siehe Bild) ist die höchste natürliche Erhebung auf dem Brocken. Der massive Felsblock liegt mitten auf dem Gipfelplateau des Brockens, welches dem Ziffernblatt einer Uhr ähnelt – deswegen trägt dieser Punkt auch den Namen Brockenuhr. Umgeben ist der Stein von in den Boden eingelassenen Bronzeschildern, welche die Entfernung zu verschiedenen Orten zeigen.

Um den Gipfel führt ein ca. 1,5 km langer Panorama-Wanderweg. Dieser Weg folgt dem einstigen Verlauf der Brockenmauer.

Dann gibt es noch das Bahnhofsgebäude mit Gaststätte (im Sommer auch mit Außenbereich). Der Bahnhof ist Endpunkt der von der Harzer Schmalspurbahn betriebenen Brockenbahn, welche leider bei meiner Tour nicht gefahren ist.

Das Brockenhotel, das höchstgelegene Hotel in Norddeutschland, bietet neben dem Hotelbetrieb auch eine wettergeschützte Aussichtsplattform, Souvenirläden und verschiedene gastronomische Einrichtungen inkl. Toiletten.

Im sogenannten Brockenhaus befindet sich eine Ausstellung rund um den Brocken und den Nationalpark Harz, welche leider auch geschlossen war.

Ich kann verstehen wieso Goethe von dieser Gegend so fasziniert war. Es ist wirklich schön, auch wenn man quasi den selben Weg (bis kurz vor Ende) wieder zurück wandert, so ist diese Tour einfach nur Entspannung pur. Einfach mal raus, Rucksack auf und ab gehts. Das wird nicht das letzte Mal für mich gewesen sein.

Link zur Tour auf Komoot:

https://www.komoot.de/tour/382493181?ref=wtd

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