Hallo, moin, guten Tag!
Der Titel mag merkwürdig erscheinen, aber ganz so falsch ist dieser garnicht. 700€, eine Beziehung und ein anderes Leben als meines haben mich verändert. Eine Veränderung auf eine Art und Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte.
Ich war bisher vermeintlich immer ganz zufrieden mit meinem Leben, habe gearbeitet, habe Autos fotografiert und die Abende vor dem Computer verbracht. Habe mit Freunden Online gezockt oder mir stundenlang irgendwelche Filme auf bekannten Streaming Plattformen angeschaut, bis eines Tages jemand in mein Leben trat und mich mit einer ganz anderen Art zu leben überzeugt hat.
Es wurde von Wanderungen berichtet, vom Radeln und von wahrer Freiheit auf zwei Rädern (ohne Motor), statt im schweren, meist im Stau stehenden, PKW welches für mich immer das Transportmittel der Wahl war.
Letzteres hat sich für mich nicht unbedingt verändert, jedoch ist der Wert eines Autos nicht mehr so hoch wie noch in 2020.
Da fällt mir ein, 2020.. das Jahr in dem eine Pandemie, in meinen Augen, alles lahm legte. Ein Jahr, in dem man nichts mehr tun konnte oder durfte. Erstaunlich, dass ich in diesem Jahr Emails versendet habe, aus der Nähe von Hamburg bis nach Slovenien.
Verrückt, dachte ich. Wie kann man nur, während einer weltweiten Pandemie, in ein anderes Land verreisen? Dazu noch alleine. Wie gefährlich, was da alles passieren kann. Eben typische „Almann“ Gedanken.
Nichts desto trotz war ich schwer beeindruckt. Mit einem jahrelangen Gefühl von: „mir fehlt etwas“, verging 2020 wie im Fluge. Die Welt stand still und 2021 sollte, meiner Ansicht nach, genauso ablaufen.
Dann irgendwann stand es vor mir, ein Fahrrad, genauer gesagt: ein so genanntes Gravelbike, welches mir von meiner damaligen Freundin empfohlen wurde.
(ich war ja eher für so ein 08/15 Trekkingrad(Alman lässt grüßen)).
700€ für etwas, dass noch nicht einmal Bluetooth hat! Im Leben würde ich nicht noch mehr Geld für so etwas wie ein Fahrrad ausgeben wollen… dachte ich beim Scrollen auf meinem 1200€-teuren Smartphone, welches ich selbstverständlich ohne Bedenken erworben habe.
Da stand es also, zwei Räder, ein geschwungener Lenker und ein Sattel. Sportlich sah es aus, auch wenn im Nachhinein betrachtet die Komponenten absolut nicht mehr zu einem Gravelbike passen. 35mm Reifenbreite, eine Kassette von 11-28 Ritzeln und 2 Kettenblätter vorn. Keine hydraulischen Bremsen, und ein Sattel den man ohne Radlerhosen nicht besteigen möchte. Aber von all den Missständen bei diesem Rad wusste ich bis dato noch nichts. Für mich war es DAS Rad, und ich absolvierte direkt am ersten Tag eine Tour von sieben Kilometern innerhalb kürzester Zeit.
Inzwischen eine eher lächerliche Strecke, doch für mich bis dato nach gut sechzehn Jahren Radabstinenz beeindruckend.
Tage und Wochen vergingen, aus sieben Kilometern wurden bald 100, und ich fing an zu hinterfragen.
Ich fragte mich, wieso ich dies, all die Jahre zuvor, nicht schon längst einmal gemacht habe? Wieso ich immer mit meinem Hintern daheim geblieben bin, Kilometer mit dem Auto zurück gelegt habe und, wieso zur Hölle, ich so bereitwillig 1200€ für ein verdammtes Handy ausgegeben habe.
Aber langsam. Ich merkte, im Hamburger Süden, genauer, in den Harburger Bergen, dass es einen Unterschied macht, was für Komponenten ein Fahrrad verbaut hat (nebst körperlicher Fitness).
Also begann ich mich zu belesen. Zu schauen und zu lernen was den Unterschied ausmacht, und merkte schnell, dass es durchaus Sinn macht, für jemanden wie mich, in etwas zu investieren, dass mehr kann als WhatsApp Nachrichten verfassen. In etwas, mit dem ich etwas machen kann und über mich hinauswachsen kann. In ein Fahrrad.
Beim Stöbern durch Youtube und andere Plattformen kam ich irgendwann mit dem Begriff „Bikepacking“ in Berührung. Es ist wie Wandern, nur eben mit dem Fahrrad. Doch ist das überhaupt etwas für mich? Um das herauszufinden begab ich mich im Juni ’21 zu meinem Kumpel Basti und seiner Freundin.
Zusammen wanderten wir durch die Alpen und den Bayerischen Wald, und verdammt ja… ich liebe es.
Kurz darauf wollte ich mich für das „The Gravel Fest“ anmelden – ein mehrtägiges Event im Harz – und beim „Heidegravel“, welches in der Nähe von Chemnitz stattfinden sollte. Leider konnte ich beim „The Gravel Fest“ arbeitsbedingt nicht teilnehmen, doch statt es gänzlich sein zu lassen, begab ich mich gut eine Woche später, alleine und voll mit Selbstüberschätzung, direkt auf den 155Km Kurs, welcher bei der App „Komoot“ zum Nachfahren zur Verfügung stand.
Natürlich schaffte ich diese Distanz nicht, und gab nach 55Km und 1200 Höhenmetern auf. Doch eines habe ich dabei für mich selbst gelernt: selbst der Versuch kann schon ein Gewinn sein. Ich entdeckte eine malerische Natur, tolle einsame Wege, und war zum ersten mal (irgendwie) auf mich alleine gestellt.
So beschi**en und anstrengend es auch war, machte es mir klar, dass dies genau das ist, was ich will. Anstrengung, über sich hinauswachsen, lernen und entdecken.
Das „Heidegravel“ im September wurde leider seitens Veranstalter abgesagt, und kurz darauf kaufte ich mir mein erstes Mountainbike – ein sogenanntes Hardtail, für 629€.
Es ist eine interessante Gattung Rad. Es hat viel vom Gravel, ist aber (meiner Meinung nach) nicht so filigran, nicht so fein wie eines. Außerdem macht es mit seiner 3×9 Schaltung einen viel besseren Job in den Bergen als mein jetziges Gravelbike. Verwurzeltes Gelände und sandige Böden nimmt es auf Grund seiner Federgabel und den breiten Reifen wesentlich besser auf. Ich habe es letztlich nur gekauft, weil ich mich beim Durchscrollen durch Bikeshops direkt darin, und gerade in die Farbkombination, sozusagen verliebt habe.
Ich war nie ein Freund von Mountainbikes, da sie mir so klobig und schwer vorkamen.
Aber zurück zum „Heidegravel“. Anstatt am 04.09. nun dort „abzugraveln“, beschloss ich, einen Tag früher als geplant, erneut nach Regensburg zu fahren. Im Gepäck, das Hardtail.
Am Abend der Ankunft ging es direkt aufs Bike und hinab in die Altstadt. Es war die erste Tour mit dem Rad und Basti kramte ebenfalls sein altes Hardtail aus der Tiefgarage. Entlang der wirklich fantastischen Donau merkte ich wieder, dass es toll ist neue Wege zu fahren und etwas ganz Neues zu entdecken.
Tags darauf ging es wieder in den Bayerischen Wald, hinauf auf den Lusen, um vom Gipfel den Sonnenuntergang zu betrachten.
Man könnte sagen, das war dieser eine Moment im Leben. Der magische Moment, an dem sich in meinem Kopf soviel veränderte. Es war wunderschön, der Ausblick war fantastisch. Die Stimmung, wie schon erwähnt, magisch und ich wusste ab diesem Moment, dass ich das zu 100% will. Dass dies dieser eine Baustein war, der fehlte. Der mich endlich komplett werden lassen würde.
Ich bin dankbar für diese Erkenntnis, dankbar für diesen Wandel und auch bin ich weiterhin meiner Ex dankbar dafür, dass sie mich dazu gebracht hat (ob geplant/gewollt oder nicht) aktiver zu werden, zu leben und, letztlich, mir ein Fahrrad zu kaufen.
Der Plan für 2022? 1600km mit dem Rad, von Basel bis Rügen. Am liebsten draussen schlafend und so einfach wie es nur geht. Mein Rad und ich, umringt von der Natur und dem Leben.
Ob es so kommen wird weiss ich nicht. Zumindest habe ich ein Ziel, und alleine das ist ein tolles Gefühl.